Auf den Spuren von Robinson Crusoe            

von Ralf Weidel

frei nach ‚Das Leben und die seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe’ v. Daniel Defoe

Ich bin vor gar nicht allzu langer Zeit in meinem Geburtshaus zur Welt gekommen und stamme aus guter Familie. Mein Vater war Kaufmaus und brachte es zu einem ordentlichen Vermögen, dass meiner Familie ein alles in allem recht sorgenfreies Leben ermöglichte. Meine Eltern hatten für mich eine juristische Laufbahn vorgesehen, ich aber wollte Seemaus werden.

So ging ich eines Tages an Bord eines Schiffes, um mein Glück in der Ferne zu suchen. Nach kurzer Fahrt setzte ich meine Reise zunächst auf dem Landwege fort, denn wir hatten Schiffbruch erlitten. Das hielt mich jedoch nicht von meinem Wunsche ab, als Seemaus die Welt zu erkunden, anstatt nun mit eingezogenem Schwänzchen zu meinen Eltern zurückzukehren. Zufälligerweise traf ich auf einen netten Herren, der sich als Kapitän entpuppte und der mich auf seinem Schiff bis nach Afrika mitnahm. Ich verdiente mir ein nettes Sümmchen und glaubte mich im siebenten Mäusehimmel.

Meine zweite Geschäftsreise endete dann wiederum sehr abrupt. Wir wurden überfallen, ausgeraubt und verschleppt. Zwei Jahre lang musste ich dem Anführer der Seeräuber dienen, ehe ich mich endlich auf und davon machen konnte. Mit einem kleinen Boot schipperte ich entlang der Küste Afrikas und wurde von einem portugiesischen Schiff an Bord genommen, das Kurs auf Brasilien nahm. Dort erwarb ich eine kleine Zuckerplantage. Schon bald aber war ich dieses so gar nicht unstete Leben müde und ich setzte erneut Segel. Unglückseligerweise gerieten wir in einen heftigen Sturm, kamen vom Kurs ab, schluckten jede Menge Wasser und wurden allesamt von Bord gespült. Einer großen Welle sei Dank fand ich mich unversehens und nur leicht ramponiert an einem mir unbekannten Strand wieder. Ich rappelte mich auf, blickte um mich, doch ich blieb alleine. Erschöpft kletterte ich auf eine kleine Palme und schlief ein.

Am nächsten Morgen wäre ich beinahe von der Palme geplumpst, hatte ich doch für einen Moment meine missliche Lage vergessen und wähnte mich in meiner Koje an Bord des Schiffes. Geschwind krabbelte ich dann aber die Palme herunter und streunte am Strand entlang. Da entdeckte ich die traurigen Überreste des Schiffes, die recht nahe am Ufer aus dem Wasser ragten. Ohne Schwimmflügel oder Badekappe tastete ich mich in das seichte Wasser vor, ehe ich mutig das kurze Stück hinüber zu dem Wrack schwamm. Ich klaubte zusammen, was nicht niet- und nagelfest war und paddelte auf einem schmalen Brett voll beladen mit allerlei nützlichen Dingen zur Küste zurück.

Nun machte ich mich auf, die Gegend zu erkunden. Schließlich wollte ich ja wissen, wo ich hier eigentlich war. Mühselig erkletterte ich einen staatlichen Hügel, von dessen Gipfel aus ich mir einen guten Überblick versprach. Aber oh Schreck. Ich stellte fest, ich war auf einer kleinen Insel gestrandet. Mausseelenalleine. Angst überkam mich. Ob hier wohl wilde Tiere herumstreunten? Schnell grub ich mir auf einer Anhöhe eine kleine Höhle mit einem guten Blick über die Küste. Fertig war mein Mausguck.

Mit einem Fernglas, das ich ebenfalls in dem Wrack gefunden hatte, schaute ich hinauf auf die See. Die Sicht war klar und ich konnte am Horizont sogar Land ausmachen. Doch ohne Boot blieb mir nur der sehnsüchtige Blick durch das Fernglas. So ließ ich meine Blicke lieber über die Insel streifen. Ich entdeckte Ziegen und lustig umherfliegende Papageien. Zu meinem Glück aber keine gefährlichen Tiere wie Tiger oder gar Mäusebussarde!

Mit der Zeit fand ich immer mehr Gefallen an meinem neuen, wenn auch ungewollten Leben. Auf meiner Insel. Saftige Wiesen luden mich ein zu verweilen und allerlei leckere Trauben versüßten mir so manche Mahlzeit.

Eines Tages dann entdeckte ich am Strand seltsame Spuren. Mir wurde angst und bange. War ich doch nicht alleine auf der Insel? So viel Zeit war nunmehr vergangen, seitdem die freundliche Welle mich auf diese Insel gespült hatte. Jedes Jahr dankte ich der einen Welle, wo immer sie auch gerade sein möge, aufs Neue. Und nun dies. War hier jemand? Wollte mir jemand meine kleine Insel streitig machen? Ich streunte rastlos umher und es dauerte eine Weile, ehe ich mich wieder beruhigt hatte. Plötzlich vernahm ich sonderbare Laute. Sie kamen vom Strand. Es klang wie ‚aua’, dachte ich mir, als ich mich vorsichtig heranschlich. Doch ich hatte mich getäuscht. Es war ‚miau’.

Katzen! Auf meiner Insel! Eine der Katzen heulte auf, denn sie wurde von den anderen wilden Katzen herumgeschubst. Ich wollte mich gerade zurückziehen, da rutschte ich aus und kullerte hinunter an den Strand. Ich hatte mich nämlich in meinem weißen Hemd verfangen, das mir ein wenig zu groß geraten war, und brachte nur angsterfüllte Schreie hervor. Endlich konnte ich mich aus dem Hemde befreien, sah zu meiner Verwunderung aber nur noch die eine malträtierte Katze neben mir im Sand liegen, während die übrigen Katzen in ein Boot sprangen und die Flucht ergriffen.

Freitag, so gedachte ich diesen anfangs recht wilden Kater zu nennen, erklärte mir später, die Insel galt als unbewohnt. Und wie ich so in meinem weißen Gewand auf die Katzen zurollte, da glaubten diese, ich wäre ein heulendes Gespenst und sie hätten lieber Reißaus genommen. Freitag war mir sehr dankbar und versprach auch, mich nicht essen zu wollen. Vielmehr wollte er mir treu ergeben sein, da ich ihn ja aus den Tatzen der gemeinen Katzen befreit hatte.  Nur, er hieße nicht Freitag sondern Sullivan.

Zusammen mit meinem neuen Freund machte das Leben gleich doppelt so viel Spaß und dennoch verspürte ich auch immer wieder den Drang, mein Eiland zu verlassen. Gemeinsam schmiedeten wir einen Plan und bauten uns aus Baumstämmen ein schmuckes kleines Boot, als auf einmal eine helle Stimme ertönte.

„Bert! Nun beeil’ dich mal ein bisschen und trödel’ nicht so lange in der Badewanne herum.“ Verwirrt blickte ich um mich, dabei geriet ein wenig Badeschaum in meine Augen und ich jaulte auf. „Ach, stell’ dich nicht so an,“ sagte die helle Stimme. Ich erwachte aus meinem Tagtraum. Meine Mama hob das Buch auf, das neben der Badewanne lag: Robinson Crusoe. 

„Und, meine kleine Wasserratte,“ fragte sie‚ „weißt du schon, wie die Geschichte ausgeht?“ „Bestimmt gut,“ antwortete ich grinsend, während meine Mama mir den Rücken trocken rubbelte. Ja, da war ich mir ganz sicher.

© 2006 Ralf Weidel

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